It’s the economy, stupid*

Anmerkungen zum Verhältnis von Ökonomie und Bildungswesen in post-fordistischen Gesellschaften.

Dass der derzeitige Zustand der Schulen gemessen am Möglichen unhaltbar ist, kann nicht bezweifelt werden und wird nur noch mit einem Überengagement von Eltern, Lehrern und Erziehern am Rande der psychonervalen Überlastung kompensiert. Es gibt mittlerweile viele Klagen und Zustandsberichte, die aber keine verbessernde Wirkung zur Folge haben. Das geht von „Achtsam zum Burnout“ (Wurzbacher), Mehrarbeit, größere Klassen, Hybridunterricht, Reaktivierung von Pensionären bis hin zu dauernden Klagen von Eltern und Lehrern, die kaum einer mehr hören will.

Die „Empfehlungen“ einer Kommission der Kultusminister, wie dem historischen Engpass bei Pädagogen zu begegnen sei, sorgen für Entsetzen bei Gewerkschaften und Bildungsverbänden. Das Gremium tischt so ziemlich alle Fehler der Vergangenheit als Rezept für die Zukunft auf. „Die Therapie ist krank, macht krank und kann nur nach hinten losgehen.“(Wurzbacher: Achtsam zum Burnout. KMK-Experten wollen Lehrermangel mit noch mehr Mangel beheben).

Außerdem gilt „Im Schulsystem gibt es einen doppelten Investitionsstau. Zum einen müssen neue Schulen gebaut werden. Es fehlen auch Sporthallen und Schwimmbäder. Rechnet man mit etwa 25 bis 50 Millionen Euro für eine neue Schule, ließen sich mit den Intel-Milliarden (gemeint ist die staatl. Subvention zum Bau einer Chipfabrik in Magdeburg, SK) 200 bis 400 neue Schulen bauen. „Zum anderen müssen bestehende Schulen saniert, renoviert oder modernisiert werden. Die Förderbank KfW sieht einen Bedarf von 45 Milliarden Euro, um die Schulen auf einen modernen Stand zu bringen. Zehn Milliarden Euro seien dafür allein in Nordrhein-Westfalen nötig.“ (Otte:  10 Milliarden Euro für Intel: So viele Schulen, Wohnungen, Radwege oder Bahnstrecken könnte der Staat mit dem Geld bezahlen)

Bildungsbegriff

Es gilt ein „kompetenzorientierten Bildungsbegriff“, der eigentlich nichts anderes beinhaltet als die Ausbildung von Fachidioten, die im „Rahmen der Ziele“ der Unternehmen auf Staatskosten ausgebildet werden sollen, um dann den Arbeitskraftnachfragern im Überfluss zur Verfügung zu stehen. „Dem liegt ein ökonomischer Ansatz zugrunde, der Menschen als humanen Rohstoff auf ihren Erfolg am Arbeitsplatz für das jeweilige Unternehmen reduziert, sie auf diese Weise zu Humankapital degradiert und damit eines Großteils ihres Menschseins beraubt. Sie sollen kompetent sein, das heißt, Probleme jeder Art lösen können, immer bereit, sich selbst zu optimieren, und ihre Kompetenzen der Problemlösung stetig weiterentwickeln.Sie sollen flexibel sein, formbar, was nichts anderes meint, als sich jederzeit ohne Widerstand den jeweiligen (unternehmerischen) Bedürfnissen anzupassen. Und um, ohne aufzufallen, quasi unsichtbar ohne eigene Bedürfnisse auszuformen und ohne Probleme zu verursachen, möglichst erfolgreich durchs (Berufs)Leben zu kommen.“ ( Wehrheim: Kritik – mehr denn je gefragt).

Die Arbeitskraftnachfrager, die differenziert zu betrachten sind, wollen aber trotz dieser reduzierten Funktionalität kreative Köpfe, die in einer hochgradig arbeitsteilig organisierten Wirtschaft auch von Nöten sind. Selbst das Handwerk braucht heute Problemlöser auf hohem Niveau, man denke an die Installation von kombinierten Heizungs- und Solaranlagen, hat aber keinerlei Interesse, auskömmliche Löhne zu zahlen, die ja in der betriebswirtschaftlichen Bilanz als Kosten auftauchen (altdeutsch: Löhne senken die Mehrwertrate).

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* „It’s the economy, stupid.“ (Es ist die Wirtschaft, Dummerchen; Wahlkampagne von Bill Clinton)